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Sie oder Du?


Hast du auch schon einmal vor der Frage gestanden, ob du jemanden siezen oder doch eher duzen sollst?

Die Antwort auf diese Frage ist nicht immer einfach – auch Muttersprachler stellen sie sich immer wieder.


Denn: Hier kann man viel falsch machen. Wenn man jemanden duzt, den man siezen sollte, kann das unhöflich wirken.

Es ist ein bisschen so, als ob man im Restaurant einfach das Salz vom Nachbartisch nimmt, ohne darum zu bitten.

Hilfreiche Vokabeln unter dem Text

Andererseits wirkt es steif und sehr formell, wenn man jemanden mit „Sie“ anspricht, den man duzen sollte.




In diesem Artikel erfährst du:

Was die unterschiedlichen Formen „Sie“ oder „Du“ bedeuten, wie man sie bildet und du bekommst Tipps, was man sagen kann, wenn man sich nicht sicher ist.





Sie oder Du – was ist der Unterschied?


Im Deutschen gibt es – wie in fast allen europäischen Sprachen – zwei Formen, mit denen man andere Menschen ansprechen kann.

  • Sie ist formell – es signalisiert Respekt.

  • Du (Plural: Ihr) ist informell – es signalisiert Vertrautheit.


Leider gibt es keine festen Regeln, wie zum Beispiel in der Grammatik. Im Gegenteil: in den letzten Jahrzehnten hat sich sehr viel verändert!


Vor 50 Jahren war es üblich, dass man nur Familienangehörige und Kinder duzt. Das heißt, dass sich auch enge Freunde oder junge Leute wie zum Beispiel Studenten mit ‚Sie‘ angesprochen haben – auch, wenn sie fröhlich miteinander gefeiert haben.


Vor 25 Jahren haben sich die jungen Leute schon geduzt. Aber viele Erwachsene sind beim „Sie“ geblieben. Es war auch normal, dass Kinder Erwachsene siezen, auch wenn es Eltern von engen Freunden waren.


Und selbstverständlich hat man am Arbeitsplatz die Kollegen gesiezt!


Heute sind wir weniger formell … aber damit ist das Thema eher komplizierter geworden.


Freunde kann man duzen.


Wann benutze ich Sie?


Normalerweise gilt: zu Erwachsen sagt man erst einmal „Sie“.


Das ist besonders wichtig für Personen, die man nicht näher kennt. Das gilt für den Alltag und für die Berufswelt.

Du oder Sie im Beruf?

‚Sie‘ zeigt Respekt:

  • vor Älteren

  • vor Ranghöheren

  • vor Fremden

  • in einem formellen Kontext




Dabei ist das „Sie“ höflich und bedeutet nicht automatisch, dass das Verhältnis distanziert sein muss.


Gerade für ältere Menschen ist das einfach die normale Anrede.

Es ist eher so, dass das Duzen in diesen Situationen als zu intim oder respektlos empfunden wird.


Polizisten muss man siezen.

Nach einem Gerichtsurteil kann es sogar eine Beleidigung sein, wenn man einen Polizisten duzt!


Aber keine Angst: wenn man nicht perfekt Deutsch spricht, dann wird man nicht gleich bestraft, wenn man einen Polizisten duzt - auch das wurde schon in einem Gerichtsurteil bestätigt (Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 10.03.2008 – 256 Cs 160/08).


Trotzdem zeigen dieses Gerichtsurteile, wie wichtig es ist, diesen Unterschied zu kennen, wenn man höflich sein möchte – man möchte ja niemanden beleidigen.


Wenn man die „Sie“-Form wählt, benutzt man in der Regel auch den Familiennamen (zum Beispiel: Herr Müller und Frau Meier).


Das bedeutet:

Man siezt im Zweifel mal alle Erwachsenen, die man nicht kennt. Dazu gehören die meisten Menschen, die einem im Alltag begegnen können, wie Ärzte, Verkäufer, Handwerker oder Polizisten.


In der Schule siezen die Kinder die Lehrer. Die Kinder werden dagegen vom Lehrer geduzt

Auf dem Gymnasium siezen aber auch die Lehrer die Schüler ab der 11. Klasse. So sollen die Schüler in ihre Rolle als verantwortungsbewusste Erwachsene hineinwachsen – sie sind eben keine Kinder mehr.


Die Kinder sagen 'Sie' zur Lehrerin


Bei Nachbarn kann es manchmal etwas schwierig sein. Ältere Menschen siezt man auf jeden Fall. Und im Zweifel auch alle, die möglicherweise älter sind als man selbst.


In vielen Firmen duzen sich die Kollegen.

Das typische Muster: das Vorstellungsgespräch ist per „Sie“. Am ersten Arbeitstag kommen dann die neuen Kollegen und stellen sich mit ihrem Vornamen vor. Dann kann man sich auch duzen.




Wann benutze ich „Du“?


Wenn man die „du“-Form benutzt, benutzt man in der Regel auch den Vornamen.


Die Du-Form zeigt Vertrautheit und Nähe: Man benutzt sie zum Beispiel in der Familie und wenn man mit Freunden und Bekannten spricht.


„Du“ benutzt man aber auch für Kinder – egal, ob man sie kennt oder nicht.


Auch in vielen Unternehmen ist das „Du“ heute normal oder wird sogar von der Firmenleitung vorgeschrieben – es gehört quasi zur Firmenkultur.



In der Familie sagt man 'du'

Ob man „Du“ sagt, hängt von der Situation ab, in der man sich kennenlernt.


Eltern im Kindergarten oder in der Schule duzen sich normalerweise – wenn man sich dort trifft.

Trifft man dagegen den Vater eines Mitschülers zum ersten Mal bei einer offiziellen Gelegenheit, weil er zum Beispiel Zahnarzt oder Verkäufer ist, dann siezt man sich.


Auf einer Party duzt man in der Regel auch die Freunde des Gastgebers und die Freunde von anderen Freunden.


Im Sportverein oder im Fitnessstudio sagt man eher 'du' – allerdings sollte man auch hier bei älteren Leuten vorsichtig sein.


Auf dem Berg duzen sich die Leute in der Regel auch. Und auch in der Kneipe oder in einem bayerischen Lokal kann es passieren, dass man geduzt wird – dann duzt man eben zurück.



Das „Hamburger Sie“ und das „Münchner Du“


Es gibt auch Mischformen zwischen den normalen ‚Sie plus Familienname‘ und ‚Du plus Vorname‘:


Das „Hamburger Sie“

... bedeutet: man benutzt das „Sie“ und dazu den Vornamen.


Manchmal wird es vom Chef für Angestellte benutzt, während der Angestellte den Chef siezt und mit Familiennamen anredet.


Diese Form benutzen auch Lehrer bei den älteren Schülern: „Frank, haben Sie Ihre Hausaufgaben gemacht?“



Das „Münchner Du“

... heißt auch „Kassiererinnen Du“. Man benutzt „Du“ und den Familiennamen. Tatsächlich kann man in großen Kaufhäusern oder Supermärkten hören, wie sich die Verkäufer auf diese Weise anreden.

Zum Beispiel: „Frau Meier, weißt du, was die Bananen kosten?“


So haben die Mitarbeiter eine vertrautere Ebene als mit dem formellen „Sie“ und gleichzeitig ist für die Kunden ist klar, wie die Kollegin heißt.

Die Kunden sagen dann „Frau Meier“ und „Sie“.



Was sind die Regeln für Kinder?

  • Untereinander duzten sich die Kinder.

  • Kinder siezen Erwachsenen, die sie nicht gut kennen.

  • Jüngere Kinder sagen normalerweise „Du“ zu Eltern von Freunden.


Kinder duzt man.


Wer bietet das „Du“ an?


Hier gibt es zum Glück klare Regeln:


Im Beruf

Der Ranghöhere bietet dem Rangniederen das ‚Du“ an.

Also: der Chef bietet de Mitarbeiter das „Du“ an, auch wenn der Chef jünger ist.


Privat

Der Ältere bietet dem Jüngeren das „Du“ an.

Und: Die Dame bietet dem Herrn das „Du an.


Wenn diese Regel nicht hilft, weil zum Beispiel beide ungefähr gleich alt oder Kollegen sind, dann kann jeder das „Du“ anbieten.


Das muss aber nicht förmlich passieren: Wenn man als Erwachsener mit „Du“ angesprochen wird, oder wenn sich jemand mit dem Vornamen vorstellt ("Hallo, ich bin Anna") dann kann man zurück duzen.


"Hallo, ich bin Anna!"


Wenn man das Du anbieten möchte, kann man sagen:

  • Sollen wir einfach du sagen?

  • Sollen wir uns duzen? – Ich bin Anna.


Achtung:

  • ein „Du“ kann nur angeboten werden. Man kann nicht zum Beispiel einen Älteren oder den Chef darum bitten.

  • Vom „Du“ gibt es eigentlich keinen Weg zurück zum „Sie“! Das wäre sehr unhöflich, weil es bedeutet, dass man auf Distanz gehen möchte.

  • Wenn sich jemand mit dem komplette Namen vorstellt (Hallo. ich bin Anna Meier!") bedeutet das nicht automatisch, dass man 'du' sagen kann!



Wie bilde ich die Sie-Form?


Wenn man gerade Deutsch lernt, ist die Sie-Form wesentlich einfacher:

Es ist die die 3. Person Plural.

Die 3. Person Plural ist fast immer gleich wie der Infinitiv.

Wichtige Ausnahme: Sein = Sie sind


Die Form ist im Singular und Plural gleich - ich habe also eine Form für eine Person oder viele Personen. Zum Beispiel:


Herr Meier, kommen Sie aus Hamburg?

Herr und Frau Müller, kennen Sie Düsseldorf?


Sind Sie Frau Meier?

Sind Sie die Eltern von Max?


Sie wird immer großgeschrieben, nicht nur am Satzanfang.



Wie bilde ich die Du-Form?


Die du-Form hat eine Form für den Singular (du) und eine Form für den Plural (ihr):

die 2. Person Singular: du kommst

die 2. Person Plural: ihr kommt


Der Singular - du


Bei regelmäßigen Verben gilt:

2. Person Singular = Stamm + -st

Kommen = komm + -st = du kommst


Es gibt auch unregelmäßige Verben, bei denen sich der Stamm ändert.


Zum Beispiel:

lesen – du liest

halten – du hältst


„Anna, liest du mir das bitte vor?“



Der Plural - ihr


Diese Form ist wieder einfacher!


2. Person Plural = Stamm + -t


Die wichtigste Ausnahme ist auch hier das Verb sein:

ihr seid


"Max und Anna, seid ihr bald fertig?"


Die Du-Form schreibt man normalerweise klein.

Aber: bei der direkten Anrede, zum Beispiel im Brief oder in einer E-Mail schreibt man sie groß!


Beispiel:

Liebe Anna,

kommst Du zu meinem Geburtstag? Natürlich kannst Du auch Max mitbringen – Ihr seid beide herzlich eingeladen!

...



Was mache ich, wenn ich nicht sicher bin?


Wenn man unsicher ist, dann ist es besser die „Sie“-Form zu benutzen.


Oft kann man die direkte Anrede einfach vermeiden.


Beispiele:

X Können Sie mir/ Kannst du mir sagen, wie ich zum Bahnhof komme?

! Entschuldigung, wie komme ich zum Bahnhof?


X „Nehmen Sie/ Nimm den Bus …“

! „Am besten nimmt man den Bus …“


X Statt: Wie geht es Ihnen? Wie geht es dir?

! Wie geht’s?


X Statt: Könnten Sie mir bitte helfen? Könntest du mir bitte helfen?

! Ich bräuchte bitte Hilfe!


X Danke, dass Sie anrufen! Danke, dass du anrufst!

! Danke für den Anruf!




Tipp:

Stell dir vor, Du sprichst mit einem Kunden (den du siezt) über deine Kollegin Nina. (Nina Meier).

Dann benutzt man den Familiennamen: Frau Meier wird Sie anrufen. (Und nicht: „Nina wird Sie anrufen“). So weiß der Kunde, wie er diese Kollegin ansprechen soll.


 


Fazit:


Oft ist es nicht einfach zu wissen, was die richtige Anrede ist.


Ein „Du“ kann nicht nur freundlich, sondern auch herablassend, respektlos oder beleidigend wirken!



Übrigens:

das ist auch der Grund, warum es im Englischen nur noch die Form „you“ gibt: Ursprünglich war das die Sie-Form (Im Gegensatz zu „thou/ thee).

Im 15. Jahrhundert wurde sie nur noch für Kinder und Ehepartner benutzt …

und dann verschwand sie ganz.

Wenn man es genau nimmt,

ist man im Englischen also viel förmlicher als im Deutschen!


Mit der Möglichkeit, zu siezen oder zu duzen haben wie zwei Nuancen, mit der wir die Beziehungen zu anderen Menschen gestalten können.


Gerade, wenn man sich bei jemandem nicht wohl fühlt oder sich beschweren möchte, kann die Sie-Form hilfreich sein, um die Distanz zu bewahren.


Andererseits macht es die Beziehung zu einer besonders netten alten Dame nicht weniger herzlich, wenn man sie siezt.

Und wenn sie dann doch das ‚du‘ anbietet, ist das ein Zeichen von besonders großer Zuneigung.


Es kommt eben auf die Zwischentöne an!




 

Wortschatz


steif - stiff

die Familienangehörigen - family members

die Ranghöheren - people of a higher rank, e.g. in business

höch, höher, am höchsten - high, higher, highest -

höflich - polite

eher - rather

herablassend - condescending

sich beschweren - to complain

der Zwischenton - nuance


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